Ich war ein Jahr in Rumänien, um mir in der Niederlassung meiner Firma wertvolles Wissen für mein Diplom anzueignen. Dort ging ich zum Friseur!
Während dieser Zeit habe ich, nachdem ich mich gut eingelebt habe, auch nach einem Friseur vor Ort gesucht. Anfangs hatte ich etwas Bedenken, denn in der Stadtnähe, wo meine Wohnung lag, gab es schon einen Friseur, doch diese Art war eher etwas zum Zuschauen: Die Männer werden nass mit Rasierklinge und Schaum rasiert, sie trinken ihren Kaffee, während mit einer Schere der Fasson geschnitten wird. Dabei wird, wie bei uns auch üblich, über Gott und die Welt erzählt. Die Frauen färben ihre Haare meistens zu Hause, und gehen nur zum Nachschneiden in den Friseursalon. Die Produkte dafür kaufen sie im Geschäft ein. Es gibt dort alle bekannten Markenanbieter, so dass man aus der Palette seinen Favoriten wählen kann. Diese Maßnahme wird oft bevorzugt, da die Einkünfte der durchschnittlichen Bevölkerung nicht sehr hoch sind. Dennoch sehen die meist südländisch aussehenden Menschen attraktiv aus, und sie verzichten nicht, auf ihr Äußeres zu achten. Sie haben moderne Frisuren, gefärbte Haare und viele Frauen haben manikürte Hände. Meine Kollegen, die schon länger vor Ort arbeiten und leben, haben schon Erfahrungen sammeln können, und so wurde mir, wenn ich nachfragte, bei welchem Friseur sie waren, ein Salon in der Stadt empfohlen. Er sei etwas teurer als der Durchschnitt, aber es ist die ganze Palette mit moderner Einrichtung und entsprechend ausgebildetem Personal vorhanden, das auch Englisch spricht. Mir war es recht, denn in meiner Firma wird hauptsächlich deutsch und englisch gesprochen, darum beherrsche ich nur Grundkenntnisse in der rumänischen Sprache.
Also machte ich mich mit einem Wörterbuch in der Tasche als Sicherheit und meinen Vorstellungen über eine neue Frisur auf den Weg dorthin.
Schon am Empfang wurde ich sehr freundlich begrüßt und gebeten, im Wartebereich noch etwas Platz zu nehmen. Nun kam die Geschäftsführerin persönlich, und fragte, ob ich auch einer Auszubildenden mein Vertrauen geben würde. Das bejahte ich und nahm in dem geschmackvoll nach westlichem Standard eingerichtetem und ausgestattetem Salon Platz. Nur die fremde Sprache erinnerte mich jetzt noch daran, dass ich nicht in Deutschland war. Es bediente mich eine junge Auszubildende im zweiten Lehrjahr und wir kamen ein wenig ins Gespräch. Leider, so erklärte sie, habe sie in der Schule französisch gelernt und kein Englisch. Mit etwas rumänisch, englisch und, wo das nicht mehr weiterhalf, mit dem Wörterbuch teilte ich ihr meine Kundenwünsche mit. Die Verständigung klappte zwischen uns. Sie beriet mich, erklärte mir die Arbeitsschritte und fragte mich, ob ich alles verstanden habe. Ich nickte und es folgte die übliche Abfolge: Farben für die Strähnen aussuchen, Beratung, was zu meinem Typ passen würde, Haare portionieren, in Folie einlegen, und danach unter die Trockenhaube zum Einwirken. Ich bekam einen Kaffee angeboten und konnte in den Boulevardzeitungen nachblättern. Ich war angetan, so weit weg von zu Hause solch eine angenehme, mir vertraute Atmosphäre vorzufinden.
Einige Zeit verging, und nun wurde das Ergebnis kontrolliert. An dem Blick der Friseurin erkannte ich, obwohl sie nicht sprach, dass etwas nicht in Ordnung schien, es kamen und gingen die Kolleginnen und immer wieder hoben sie das Handtuch, redeten, schauten mich abwechselnd an und gingen dann wieder weg. Ich kam mir verloren vor, wie ein Patient, der auf dem Tisch liegt, von dem sich Ärzte aller Fachrichtungen meine Befunde ansahen und wortlos wieder gehen. Irgendwann, mir kam es endlos lang vor, kam die Geschäftsführerin und bat mich in den Spiegel zu sehen, zu dem sie mich behutsam führte. Ich sah mich mit handtuchtrockenem Haar und erschrak: statt blonder Strähnen hatte ich knallrote. Ich wurde höflich gefragt, ob ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, und ich antwortete , dass ich doch blond und nicht rot gefärbte Strähnen haben wollte und zeigte auf dem neben dem Waschplatz das noch liegende blonde Haarmodell in blond. Ganz offenbar hatte die Auszubildende eine falsche Farbkombination gewählt. Die Inhaberin und die Auszubildende entschuldigten sich. Es war ihnen sichtlich peinlich, dass ein Ausländer solch eine Erfahrung in ihrem Geschäft macht. Sie waren bemüht, einen Kulanzweg anzubieten. Sofort wurde mir zugesichert, dass ich diese Leistung nicht bezahlen brauche, es wurde mir angeboten, einen neuen Termin anzunehmen, um den Schaden nachzubessern. Ich nahm an. Als Entschädigung durfte ich mir eine Kosmetikbehandlung aussuchen, die von der Inhaberin ausgeführt wurde. Sie fuhr mich anschließend noch mit ihrem Auto nach Hause.
So lief ich einige Zeit mit roten statt blonden Haaren ins Büro, und ich war froh, dass mich keiner ansprach, bei welchem Friseur ich gewesen bin, und erntete erstaunte Blicke für meinen Mut zur Farbe.
Die Inhaberin und die Auszubildende haben dann im Nachsitzungstermin gemeinsam mit mir alle Arbeitsschritte noch einmal genau abgestimmt und unter den strengen Augen der Friseur Chefin hat die Auszubildende dann ganz unspektakulär eine sehr schöne Haarfärbung in meiner gewünschten Farbe mit anschließender Frisur professionell ausgeführt.
Ich habe trotz des ersten negativen Erlebnisses eine positive Erfahrung machen können. Ich war angenehm überrascht über diese Kundenfreundlichkeit. Einen modern ausgestatteten Salon zu haben, reicht allein nicht aus. Dieses Marketingkonzept ist voll aufgegangen, denn als zufriedener Kunde bin ich bis zu meiner Abreise in diesen Friseursalon gegangen und war stets zufrieden.
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